Motion zu Pfarrwahlen überwiesen

Die Zürcher Kirchensynode hat am 14. Juni 2016 nach reger Diskussion meine Motion zur Aufhebung des Urnenobligatoriums bei Pfarr-Bestätigungswahlen mit 73 zu 25 Stimmen bei 5 Enthaltungen überwiesen. Obschon der Kirchenrat bereit war, die Motion entgegenzunehmen, war dazu noch eine Abstimmung nötig, weil ein Synodaler aus dem Bezirk Affoltern einen Antrag auf Nichtüberweisung gestellt hatte. Der Kirchnerat hat nun zwei Jahre Zeit, eine Vorlage dazu auszuarbeiten. Er will dies im Rahmen der für "KirchGemeindePlus" notwendigen Revision der Kirchenordnung tun.

 

Hier mein Votum vor der Synode im Wortlaut:

 

Sehr geehrter Herr Präsident

 

Sehr geehrte Kirchenrätinnen und Kirchenräte

 

Verehrte Anwesende

 

 

Ich bin kein Gegner der Demokratie. Ich habe selber mehrere Wahlen als Kandidat erlebt. Kampfwahlen, wie zum Beispiel die Wahl in diese Synode, die in meinem Wahlbezirk regelmässig umstritten sind. 

 

 

Aber als Kirchenpfleger, Kirchenpflegepräsident und Bezirkskirchenpfleger auch an Wahlen, bei denen es gleich viele Kandidaten gab wie Sitze. Wo es eigentlich nicht darum ging, ob man gewählt wird oder nicht, sondern welchen Platz man am Schluss in dieser Schönheitskonkurrenz einnimmt.

 

 

 

Das alles ist schweizerische Demokratie, die uns lieb und – man muss es sagen – auch teuer ist.

 

 

 

Und auch wenn eine Wahl keine Kampfwahl ist, ist es als Inhaber eines Milizamtes ist gar nicht so schlecht, wenn man alle vier Jahre vom Volk ein Feedback bekommt. Auch wenn man feststellen muss, dass man in der Beliebtheitsskala gegenüber dem letzten Mal etwas abgerutscht ist.

 

 

 

Warum aber bin ich gegen eine obligatorische Urnenwahl bei der Bestätigung der Pfarrerinnen und Pfarrer für eine neue Amtsdauer?

 

 

 

Pfarrwahlen, wie wir so unter dem Regime der neuen Kirchenordnung nun zweimal erlebt haben, sind gar keine Wahlen. Man kann in der Gemeinde X nicht als Pfarrer kandidieren! Man kann auch nicht andere Namen auf einen Wahlzettel schreiben, beispielsweise den Namen der beliebten Pfarrerin der Nachbargemeinde, die jeden Sonntag ein so grosses Auditorium in ihrem Gottesdienst hat!

 

 

 

Es geht nur um die von der Kirchenpflege vorgeschlagenen Kandidaten.

 

 

 

Und anders als bei Wahlen, wie wir sie von Behördenämtern gewohnt sind, muss man eine Frage (nämlich ob man Pfarrer X im Amt bestätigen möchte) mit Ja oder mit Nein beantworten. Es ist also eine Sachabstimmung.

 

 

 

Auch wenn bei beiden Wahlgängen die allermeisten Pfarrererinnen und Pfarrer mit hohen Ja-Anteilen bestätigt wurden, ist bei diesem System die Gefahr einer ungerechtfertigten Abwahl oder zumindest eines Denkzettels von Heckenschützen viel grösser als bei einer „normalen“ Wahl.

 

 

 

Nur knapp in ein Behördenamt gewählt zu werden ist keine Schande. Einen hohen Nein-Anteil bei einer Pfarr-Bestätigungswahl einstecken zu müssen, macht den weiteren Verbleib in einer Gemeinde aber enorm schwierig.

 

 

 

Und wie gesagt: Hier geht es nicht ein Milizamt, das man getrost auch aufgeben kann, wenn man einen Beliebtheitsverlust beim Wahlvolk zu spüren glaubt. Hier geht es um die berufliche Zukunft von hochqualifizierten Spezialisten.

 

 

 

Wir haben nicht so viele Pfarrerinnen und Pfarrer, dass wir es uns leisten könnten, sie in unnötigen und scheindemokratischen Urnengängen der Gefahr auszusetzen, sich beruflich zu desavouieren.

 

 

 

Ich will Ihnen ein Beispiel aus dem Kanton Aargau nennen: Hier fand in einer kleineren Gemeinde eine Bestätigungswahl an der Urne statt für eine junge Pfarrerin, die erst wenige Monate zuvor von einer Pfarrwahlkommission und einer Kirchgemeindeversammlung gewählt worden war.

 

 

 

An die Adresse der jungen Pfarrerin wurden im Vorfeld der Wahl Vorwürfe herumgeboten, die an Absurdität kaum zu überbieten waren:

 

Sie mähe den Rasen im Pfarrhausgarten zu wenig oft.

 

Und die alleinerziehende Mutter lasse es zu, dass ihre Teenager-Tochter im Pfarrhaus in ihrer Abwesenheit Partys mit anderen jungen Leuten feiere.

 

 

 

Die Pfarrerin wurde knapp abgewählt und ist seither beruflich ruiniert.

 

 

 

Meine Damen und Herren, so ein Fall darf sich in unserem Kanton nicht ereignen. Regeln wir die Bestimmung in der Kirchenordnung so, dass es nur dann zu einer Urnenwahl kommen muss, wenn in einer Gemeinde wirklich ernsthafte und objektivierbare Vorbehalte gegen eine Pfarrperson bestehen.

 

 

 

Eine Überarbeitung des Artikels 125 der Kirchenordnung ist nur schon deshalb angezeigt, weil sich die Problematik im Zuge von KirchGemeindePlus noch verschärfen wird. In Grossgemeinden wird eine obligatorische Urnenwahl für Pfarrpersonen, die man überhaupt nicht kennt, ja gar nicht kennen kann, zur Farce.

 

 

 

Und denken Sie in Zeiten knapper werdender Ressourcen auch an die Kosten. Die letzten Pfarrwahlen haben, so wird geschätzt, die Zürcher Kirchgemeinden insgesamt einen satten sechsstelligen Betrag gekostet. Dieses Geld sähe ich besser investiert in diakonischen Projekten statt in scheindemokratischen Prozessen.

 

 

 

Ich danke Ihnen.

 

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