Kalkulierte Kommunikationsgaffe

Illustration zum Projekt KG+ im Zürcher Weinland (www.kirche-tt.ch)
Illustration zum Projekt KG+ im Zürcher Weinland (www.kirche-tt.ch)

Der Zürcher Kirchenrat hat heute Donnerstag, 26. Mai 2016, um 10 Uhr an einer Medienkonferenz über seine Vorlage an die Synode zum umstrittenen Reformprojekt «KirchGemeindePlus» informiert. Die Synode selber – das Parlament, das die kirchenrätlichen Vorschläge beraten und beschliessen soll – verfügte zum Zeitpunkt der Medienkonferenz über keinerlei Informationen, was ihr in dieser Vorlage denn eigentlich unterbreitet wird. Vorab informiert – unter strikter Geheimhaltungspflicht – wurden nur ein paar wenige Insider, namentlich die Mitglieder der vorberatenden Kommission und der Geschäftsprüfungskommission. Immerhin einige Stunden vor der Medienkonferenz wurden noch die Präsidien der Orts- und Bezirkskirchenpflegen eingeweiht – ebenfalls unter strikter Vertraulichkeit. Uninformiert bis zum Beginn der Medienkonferenz blieb aber das Gros der 120 gewählten Kirchenparlamentarier.

 

Warum ist das in höchstem Masse undemokratisch und respektlos gegenüber dem Kirchenparlament, immerhin der höchsten Behörde in der Zürcher Landeskirche? Weil sich der Kirchenrat mit diesem Kommunikationsverhalten die Deutungshoheit über die den Medien abgegebenen Informationen einen Tag lang sicherte. Weil es den von der Information ausgeschlossenen Synodalen verunmöglicht wurde, ihrerseits medial rasch auf die Ausführungen der Exekutive zu reagieren.

 

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, das wusste schon Gorbatschow und das gilt erst recht in Zeiten der Onlinenews. Wer erst am Abend nach der Medienkonferenz den kirchenrätlichen Bericht in Papierform im Briefkasten findet und sich einlesen kann, hat gegenüber den Medien, die schon den ganzen Tag über das Projekt berichtet haben, nichts mehr zu melden. Bis kritische Synodale reagieren können, haben sich die Medien längst wieder anderen Themen zugewandt.

 

Das Kommunikationsverhalten des Kirchenrats war wohl nicht einfach eine Panne, sondern Kalkül. Aber geht dieses Kalkül auch auf? Wir erinnern uns: Eine erste Vorlage hatte die Synode im vergangenen November zurückgewiesen. Das Parlament hatte sich namentlich daran gestört, dass das Reformprojekt über eine blosse Postulatsantwort vorangetrieben werden sollte. Es fühlte sich ausgeschaltet und wollte mit der Rückweisung und der Erteilung klarer legislatorischer Aufträge an den Kirchenrat das Heft in die Hand nehmen.

 

Es darf bezweifelt werden, dass sich mit der jetzigen Kommunikationsgaffe das Gefühl des Ausgeschaltetwerdens verflüchtigt hat.

 

Thomas Illi, Mitglied der Kirchensynode, 26.5.2016

 

 

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